Eine den Verjährungsbeginn auslösende, grob fahrlässige Unkenntnis ist nicht schon dann begründet, wenn ein Anleger ein ihm übergebenen Emissionsprospekt nicht durchliest

In diesem Urteil bestätigte der Bundesgerichtshof (BGH) ein Berufungsurteil des Oberlandesgerichts Köln, das einem Anleger Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung zugesprochen und eine Verjährung der Ansprüche verneint hatte.

Der Anleger hatte auf Empfehlung eines Anlageberaters eine Anlage in Form eines geschlossenen Immobilienfonds abgeschlossen. Der Kläger hat dem Berater vorgeworfen, dass er die sich aus einem Anlageberatungsvertrag ergebenden Pflichten verletzt habe, da mit der Fondsbeteiligung eine Anlage empfohlen habe, die seinem erklärten Anlageziel ein sicherer Altersvorsorge widersprochen habe und er auch nicht auf die speziellen Risiken der Anlage hingewiesen worden ist.

Nach Ansicht des BGH hat das Berufungsgericht schon deshalb ein Beratungsfehler zurecht bejaht, da dem Anleger hier ein geschlossener Immobilienfonds empfohlen worden war, der nicht mit seinem Anlageziel vereinbar war. Nach Ansicht des BGH kann nämlich, wenn das Anlageziel des Kunden auf eine sichere Geldanlage gerichtet ist, bereits die Empfehlung einer unternehmerischen Beteiligung wegen des damit regelmäßig verbundenen Verlustrisikos schon für sich genommen fehlerhaft sein.

Weiterhin hat der BGH festgestellt, dass die geltend gemachten Schadensersatzansprüche auch nicht verjährt sind. Zahlreiche Gerichte hatten in der Vergangenheit die Auffassung vertreten, dass eine grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, die einen Verjährungsbeginn begründet, bereits dann zu bejahen sei, wenn ein Anleger es unterlässt, einen ihm von einem Berater oder Vermittler zur Verfügung gestellten Prospekt durchzulesen. Bei einer Lektüre des Prospektes hätte ein Anleger nämlich merken müssen, dass er falsch beraten und ihm unrichtige Informationen erteilt worden sind. Eine grob fahrlässige Unkenntnis wurde dabei selbst dann von einen einigen Gericht bejaht, wenn der Prospekt erst bei oder sogar kurz nach der Zeichnung übergeben worden ist.

Dieser in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht ist der BGH nun entschieden entgegengetreten. Nach Ansicht des BGH setzt die Annahme einer grob fahrlässigen Unkenntnis voraus, dass dem Kläger ein schwerer Obliegenheitsverstoß vorgeworfen worden kann. Dabei sei ein Gläubiger insbesondere aber nicht verpflichtet, im Interesse des Schuldners für einen möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Nachforschungen zu betreiben.

Nach diesem Maßstab genügt der Umstand, dass ein Anleger den ihm übergebenen Prospekt nicht durchgelesen hat, für sich allein noch nicht, um eine grob fahrlässige Unkenntnis zu begründen. Im Übrigen vertraue auch der Anleger auf den Rat und die Angaben seines Beraters, so dass es kein grobes Verschulden gegen sich selbst darstelle, wenn ein Anleger davon absieht, den ihm übergebenen Anlageprospekt nicht durchsieht oder darauf auswertet, ob dieser Abweichungen von den Angaben des Beraters enthält.

Nach Ansicht von Rechtsanwalt Oliver Busch werden die Gerichte nach diesem Urteil des BGH in Zukunft nicht mehr eine grobe Fahrlässigkeit zur Begründung einer Verjährung von Ansprüchen annehmen können, wenn der Anleger einen ihm überlassenen Emissionsprospekt im Vertrauen auf die Angaben des Beraters nicht gelesen hat bzw. ihm auch gar kein Prospekt übergeben worden ist. Dies eröffnet daher auch nun wieder für Anleger, die bereits vor mehreren Jahren eine Anlage abgeschlossen haben und nicht auf anderem Weg eine Kenntnis von Beratungsfehlern erlangt haben, die Chance, Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Anlageberatung bzw. Anlagevermittlung durchzusetzen.