EINE DIREKTBANK IST VERPFLICHTET IM INTERNET ERTEILTE WERTPAPIERAUFTRÄGE AUF IHRE PLAUSIBILITÄT ZU PRÜFEN, UM ZU VERHINDERN, DASS DIE KUNDEN IRRTÜMLICH AUFTRÄGE ERTEILEN, DIE DAS VOLUMEN IHRES KONTOKORRENTKONTOS GANZ ERHEBLICH ÜBERSTEIGEN.

Der Irrtum des Kunden bei der Auftragserteilung ist nicht als schuldhafte Mitverursachung (§ 254 I BGB) zu berücksichtigen.

Landgericht Nürnberg-Fürth Urteil vom 14.02.2001; AZ: 10 O 8312/000

Zum Sachverhalt:

Die Parteien streiten um Forderungen aus einem Wertpapiergeschäft. Der Kläger unterhielt bei der Beklagten, einer sogenannten Direktbank, ein Konto sowie ein Wertpapierdepot zum Zwecke des Discountbroking.

Am 18.04.2000 wollte der Kläger 100 Aktien zu 1/10 SF 10 der Firma B. AG kaufen. Den entsprechenden Kaufauftrag erteilte der Kläger de Beklagten per Internet. Gekauft wurden jedoch nicht die genannten 1/10 Aktien sondern 100 Aktien B. AG Aktien SF10 mit der Wertpapierkennnummer CH000..580 (…509), also 1/1 Aktien mit der Folge, dass der Auftrag des Klägers bei einem Aktienkurs von 99,00 Euro für die 1/10 Aktie ein Volumen von 99.000,00 Euro statt wie vom Kläger gewollt, 9.900,00 Euro hatte. Das Konto des Klägers bei der Beklagte wies im Zeitraum des Auftrages ein Guthaben von nur DM 30.000,00 auf. Durch die Ausführung des Auftrages wurde dieses Konto erheblich überzogen. Da er anderweitig keine Mittel zur Verfügung hatte, verkaufte der Kläger sämtliche erworbenen Aktien am 29.04.2000. Bis dahin war der Kurs der Aktie jedoch auf 910,00 Euro (für die 1/1 Aktie) gesunken, so dass der Kläger einen Verlust von DM 16.909,28 erlitt.

Mit der Klage begehrt der Kläger von der Beklagten Ersatz des Betrages. Er trägt vor, dass er bei Erteilung der Kauforder lediglich die Bezeichnung „B. AG“ ohne nähere Angaben an seinem PC eingegeben habe, wobei er allerdings einräumt, sich nicht genau erinnern zu können. Er ist der Meinung, dass seine Order so unvollständig gewesen sei, dass ein Kaufauftrag im Rechtssinne nicht vorgelegen habe. Außerdem ist er der Auffassung, dass der Beklagten aus früheren Wertpapiergeschäften bekannt gewesen sein musste, dass er lediglich 1/10 Aktien erwerben wollte. Der Kauf der 1/1 Aktien sei daher von der Beklagten pflichtwidrig erfolgt und sie habe ihm deshalb den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Die beklagte Bank wendet ein, der Kläger habe einen eindeutigen Auftrag erteilt, den die Beklagte auch weisensgemäß ausgeführt habe. Sie ist außerdem der Auffassung, dass sie nicht verpflichtet war, den Auftrag des Klägers dahingehend zu überprüfen, ob dieser auf einem Irrtum beruhen könne. Auch nichts anderes könne sich daraus ergeben, dass das Konto des Klägers keine ausreichende Deckung zur Ausführung des Auftrages aufgewiesen habe.

Aus den Gründen:

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet, weil die Beklagte dem Kläger den Schaden zu ersetzen hat, der ihm aus der Ausführung des Auftrages vom 19.01.2000, soweit dieser auf einem Irrtum oder Fehler des Klägers beruhte, entstanden ist.

Das Gericht hat keinen Zweifel daran, dass der Kläger der Beklagten einen vollständigen und rechtlich wirksamen Auftrag erteilte, 100 Aktien zum Kurswert von Euro 990,00 zu kaufen, die dann auch erworben wurden. Dies deshalb, da inzwischen allgemein bekannt ist, dass Systeme von Banken und Geschäften, die ihre Produkte im Internet vertreiben, unvollständige Aufträge „hinterfragen“ und auch eindeutige Aufträge erst dann ausführen, wenn der Kunde sie in einem zweiten oder wie hier die Beklagte behauptet, sogar erst in einem dritten Schritt (klick auf o.k. o. ä.) bestätigt. Der Kläger erteilte also seinen Auftrag fehlerhaft oder irrtümlich.

Die Beklagte hätte den Auftrag jedoch nicht ohne Rücksprache mit dem Kläger ausführen dürfen. Die Beklagte war zwar nicht verpflichtet, den Auftrag auszuführen, da das Korrespondenzkonto des Klägers bei der Beklagten nicht die zur Ausführung des Auftrages notwendige Deckung aufwies. Insoweit gilt nichts anderes als bei einem normalen Kontokorrentkonto. Bei einem normalen Kontokorrentkonto darf die Bank allerdings auch Aufträge ausführen, wenn das Konto keine ausreichende Kontodeckung oder offene Kreditlinie aufweist. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass den entsprechenden Belastungen entweder ausdrückliche Aufträge des Kunden (Überweisungs- oder Dauerauftrag) oder aber Lastschriften im Abbuchungsverfahren zugrunde liegen. Der Kunde hat es dabei selbst in der Hand, ob er sein Konto (ggf. über die offenen Kreditlinien) überzieht. Eine Erteilung von Überweisungs- und Daueraufträgen erteilt er selbst – in der Regel schriftlich – den entsprechenden Auftrag, einer Lastschrift kann er jederzeit widersprechen. Der vorliegende Fall unterscheidet sich in einem ganz wesentlichen Punkt vom Zahlungsverkehr bei einem normalen Kontokorrentkonto. Das Hauptaugenmerk des Kunden liegt auf dem Kauf von Wertpapieren und nicht in der Erteilung eines Überweisungsauftrages oder einer Einziehungsermächtigung, auch wenn letzteres die zwangsläufige Folge eine Kauforder ist. Die mögliche Fehlerquelle, die sich hier auch realisiert hat, liegt dabei nicht in der Ausgestaltung des Zahlungsverkehrs über das Korrespondenzkonto, sondern in der Ausgestaltung des Wertpapierhandels. Diese Ausgestaltung gibt dem Kunden nahezu unbegrenzte Möglichkeiten, Wertpapiere zu kaufen oder zu verkaufen. Irrtümer des Kunden kann dieses System nicht erkennen oder gar ausgleichen, selbst grobe Fehler und Irrtümer nicht. Auch wenn die Selbstverantwortung des Kunden nicht unterschätzt wird, ist dennoch zu berücksichtigen, dass der Kunde möglichst vor seinen eigenen Irrtümern geschützt werden soll, zumal diese ganz erhebliche Auswirkungen zu seinen Lasten haben können. Ansonsten wäre der Kunde – überspitzt formuliert – nur einen Mausklick von der Insolvenz entfernt. Ein solcher Fehler, den das System der Beklagten zunächst nicht erkennen konnte ist dem Kläger unterlaufen, wobei es nach der Erfahrung des Gerichtes mit vergleichbaren Fällen noch nicht einmal um einen Fehler handelte, weil der Kläger nur 1/10 Aktien mit 1/1 Aktien der selben Aktiengesellschaft verwechselt hat. Dieser kleine Fehler hatte aber die Auswirkung, dass eine Kauforder das 10fache Volumen des gewollten Auftrages hatte. Ein solcher Fehler kann jedem Menschen passieren, unabhängig davon ob er Börsenneuling oder in Börsengeschäften erfahren ist. Der Fehler kann aber auch erfahrenen PC- und Internetbenutzern unterlaufen, selbst wenn, wie oben dargestellt, davon auszugehen ist, dass der Kunde mehrmals seine Order bestätigen muss. Eine Direktbank ist verpflichtet, den Kunden vor derartigen Fehler in zumutbarem Umfang zu bewahren. Das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien ist ein Dauerschuldverhältnis, das ihnen in gewissem Rahmen gegenseitige Pflichten auch zur Wahrung der Interessen der anderen Partei auferlegt. Die Beklagte hätte durch einfache und deshalb zumutbare Maßnahmen die Ausführung des auf einem Irrtum oder Fehler des Klägers beruhenden Auftrages verhindern können, indem sie ihr System so eingerichtet hätte, dass Kauforders schlicht nicht ausgeführt werden, wenn das Korrespondenzkonto das dazu notwendige Guthaben oder eine entsprechenden Kreditlinie nicht aufweist. Der Beklagten wird damit keine umfassende Betreuungs- oder gar Beratungspflicht zu Gunsten ihrer Kunden auferlegt. Verlangt wird vielmehr nicht mehr, aber auch nicht weniger als die Überprüfung von Kaufaufträgen auf ihre Plausibilität hin. Die Plausibilitätsprüfung muss zwar entgegen der Ansicht des Klägers nicht dazu führen, dass die Direktbank den erteilten Kaufauftrag mit früheren Aufträgen vergleicht. Dies kann von einer Direktbank nicht verlangt und wohl auch nicht geleistet werden. Allerdings ist ein Kaufauftrag, dessen Volumen das Guthaben ganz erheblich übersteigt, schon aus sich heraus nicht plausibel.

Ein Mitverschulden muss sich der Kläger nicht anrechnen lassen. Da die zum Schadensersatz verpflichtende Handlung oder Unterlassung der Beklagten gerade darin bestand, dass sie den Kläger nicht auf seinen Irrtum oder Fehler hingewiesen und/oder dessen Folgen verhindert hat, wäre es geradezu widersinnig, diesen Fehler oder Irrtum dem Kläger als Mitverschulden bei der Entstehung des Schadens zuzurechnen.