ERSTATTUNG DES KAUFPREISES GEGEN ÜBERTRAGUNG DER AKTIEN; FALL EM.TV

Zum Sachverhalt:

Der BGH hatte über Revisionen von geschädigten Anlegern zu entscheiden, die im Zeitraum von Anfang März 2000 bis 01. Dezember 2000 Aktien der EM.TV erworben hatten. Das Berufungsgericht, das OLG München, hatte einen Anspruch der geschädigten Anleger noch mit der Begründung verneint, dass diese nicht hinreichend dargelegt hätten, dass ihnen ein ersatzfähiger Schaden entstanden sei. Nach Ansicht des OLG München könne der Anleger Schadensersatz in Form der Erstattung des Kaufpreises nicht beanspruchen, sondern der Schadensersatz sei auf die Differenz zwischen dem infolge einer unrichtigen Meldung zu hohen Kurs und dem im Falle des Unterbleibens der Mitteilung hypothetischen angemessenen Kurs beschränkt.

Aus den Gründen:

Der BGH teilte die Ansicht des Berufungsgerichts nicht und stellte fest, dass Anleger, die durch unwahre, kursrelevante Ad-hoc-Mitteilungen zum Erwerb von Aktien der EM.TV vorsätzlich veranlasst worden sein, nicht etwa nur den Differenzschaden verlangen könnten, sondern vielmehr Naturalrestitution in Form der Erstattung des gezahlten Kaufpreises gegen die Übertragung der erworbenen Aktien oder – sofern diese wegen zwischenzeitlicher Veräußerung nicht mehr vorhanden sind – gegen Anrechnung des an ihre Stelle getretenen Veräußerungspreises.

Nach Ansicht des BGH ist der geschädigte Anleger nämlich so zu stellen, wie er stehen würde, wenn die für die Veröffentlichung Verantwortlichen ihrer Pflicht zur wahrheitsgemäßen Mitteilung nachgekommen wären. In diesem Fall hätten die Anleger die Aktien nicht erworben, so dass sie Geldersatz in Höhe des Kaufpreises gegen Übertragung der erworbenen Aktien verlangen können.

Außerdem stellte der BGH in dieser Entscheidung noch fest, dass eine Haftung aus Schadensersatz auch die beklagte Aktiengesellschaft trifft, die sich das Verschulden ihrer Vorstände analog § 31 BGB zurechnen lassen muss. Nach Ansicht des BGH stehen der Schadensersatzhaftung der AG auch nicht die aktienrechtlichen Gläubigervorschriften über das Verbot der Einlagenrückgewähr gemäß § 57 AktG und Verbot des Erwerbs eigener Aktien gemäß § 71 AktG entgegen. Nach Meinung des BGH ist nämlich hier das Integritätsinteresse der vorsätzlich geschädigten Anleger höher zu bewerten als das Kapitalschutzinteresse.

Anmerkung:

Das Urteil des BGH stellt für die Anleger einen wichtigen Fortschritt dar, da sie nun nicht mehr darauf angewiesen sind, den Differenzschaden in Höhe der Differenz zwischen dem überhöhten Kaufpreis und dem hypothetisch angemessenen Kurs darzulegen und zu beweisen. Eine derartige Berechnung ist zwar, wie der BGH auch in seinem Urteil feststellte, grundsätzlich möglich. Die Berechnung kann jedoch wohl nur aufgrund von Sachverständigen erfolgen und die Berechnungsmethoden sind umstritten. Unabhängig davon muss aber in jedem Einzelfall geprüft werden, ob und aufgrund welcher falscher Ad-hoc-Mitteilungen der Anleger Aktien der entsprechenden AG erworben hat und ob auch eine Kausalität zwischen der unrichtigen Ad-hoc-Mitteilung und dem Aktienerwerb bejaht werden kann. Häufig verneinen nämlich auch nach wie vor die Instanzgerichte einen Schadensersatzanspruch wegen mangelnder Kausalität, z. B. wenn ein Anleger längere Zeit nach der fehlerhaften Information die Aktien erworben hat.