Mit einer Phantom-Bank prellte ein Schweizer seine Kunden um Millionen. Selbst aus dem Gefängnis heraus. Jetzt sitzt er wieder.

Düsseldorf – „Steuerfreiheit, absolutes Bankgeheimnis, erstklassiger Service – und bis zu elf Prozent Zinsen für fünfjährige Festgeldanlagen“: Das Angebot der Inter Capital Bank mit Sitz auf Anguilla, British West Indien und einem Schweizer Management klang verlockend. Was viele Kunden nicht wussten: Die Bank ist eine reine Erfindtmg eines 67-jährigen Schweizers, der fast ein Drittel seines Lelbens hinter Gittern verbracht hat.

Zu Hunderten strömten noch bis Anfang dieses Jahres private und professionelle Vermittler aus um deutschen Anlegern die sichere Langzeitanlage angesichts niedriger Sparzinsen schmackhaf zu machen. Ihr Trick: Die festverzinslichen Geldanlagen der Inter Capital Bank verkauften sie zusammen mit seriösen Geldanlagen wie Investmentfonds und Versicherungen. Als ein Anleger Anfang Januar sein fünjähriges Festgeld samt inzwischen aufgelaufenen Zinsen einforderte, hatte die Schweizer Staatsanwaltschaft die Inter Capital Bank gerade geschlossen und deren Chef und Drahtzieher René Lins, seine deutsche Lebensgefährtin Hildegard Wegner und einen weiteren „Banker“ verhaftet. „Die Anleger hatten wohl alle nur die Worte ‚Bank, ‚anonym‘ und ‚steuerfrei‘ im Sinn Wie die hohen Zinsen bei einer zugleich sicheren Anlage zu Stande kommen sollten, interessierte wahrscheinlich niemand“ sagt der Bochumer Staatsanwalt Ekkehart Carl, der in Deutschland die Ermittlungen gegen Hildegard Wegner und Vermittler der Inter Capital Bank leitet. „The Fine Art of Private Banking“ – wie die Bank ihr Geschäftsgebaren in Hochglanzprospekten präsentierte – war nichts anderes als ein Schneeballsystem, bei dem sich dieAuszahlungen aus dem Geld neuer Anleger finanzierten. Dieses System läuft so lange reibungslos, wie sich immer wieder neue Anleger mit frischem Geld finden. Wie hoch der Schaden ist weiß noch niemand. Allein auf zwei Konten der Inter Capital Bank im Klein Walsertal entdeckte die Staatsanwaltschaft Eingänge von mehr als 83 Millionen Mark. Weil Zinsen und Einlagen oft in Bar den Besitzer wechselten, sei das Ausmaß für die Staatsanwaltschaft schwer zu überblicken. Bei der Suche nach den verschwundenen Geldern, betrogenen Anlegern und umtriebegen Vermittlern soll dem Strafverfolger nun ein Merkblatt für Inter- Capital- Bank- Kunden helfen, das die Bochumer Staatsanwaltschaft in Zusammenarbeit mit der Oberfinanzdirektion Münster entworfen hat. Alle, „die bisher vergessen haben, Zinsen anzugeben“, heißt es in der Aufforderung, sollten ihr „Finanzamt über die bisher nicht erklärten Einnahmen in Kenntniss setzen“ und Selbstanzeige erstatten. Im Gegenzug versprechen die Behörden, nicht weiter wegen Steuerhinterziehung zu ermitteln.

Dass die Finanz- und Strafverfolgungsbehörden erst jetzt betrogenen Anlegern und entgangenen Steuergeldern hinterherlaufen, ist für Kenner der Szene verwunderlich. Bereits seit 1988 warnten beispielweise die Branchendienste für Kapitalanleger“Gerlach Report“ und „kapital-markt intern“ vor Geldanlagen bei der angeblichen Bank. „Das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen war seit Jahren informiert. Die wussten seit einem Jahrzehnt, dass keine Erlaubnis für Bankgeschäfte vorlag,. Geschehen ist nichts“ sagt Axel Prümm, Chefredakteur von „Kapitalmarkt intern“. Das Berliner Amt allerdings fühlte sich machtlos. „Bis 1998 war die Vermittlung von Auslandseinlagen in Staaten außerhalb der EU nicht erlaubnispflichtig“, erklärt Sprecherin Sabine Lautenschläger. Für die Zeit danach hätten keine Anhaltspunkte für unerlaubte Bankgeschäfte vorgelegen.

Fest steht, dass der Erfinder der Inter Capital Bank für die Berliner Behörde kein Unbekannter war. Immerhin existiert ein Schriftwechselin dem die Behörde mit dem Verurteilten Betrüger über die Rechtsmäßigkeit der Bankerlaubnis stritt. Aktenkundig ist, dass Lins am 17 September 1984 tatsächlich eine Banklizenz für die Inter Capital Bank im karibischen Ferienparadis Anguilla erworben hatte. „Das war damals ohne Überprüfung des Antragstellers für ein paar tausend Dollar ohne weiteres möglich“ sagt Staatsanwalt Carl.Doch schon damals flog das Schneeballsystem nach ein paar Jahren auf. Am 20 Juni 1990 wurde Lins von Obergericht des Kantons Zürich wegen „Betrugsstraftaten im Zusammenhang mit Inter Capital Bank Ltd.“ zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt und ihm die Banklizenz von der Regierung auf Anguilla entzogen. Lins ließ sich nicht einschüchtern. „Er machte mit Hilfe seiner Lebensgefährtin munter weiter, vor allem als er später Freigänger war“, sagt Staatsanwalt Carl. Obwohl die Bank nur noch auf dem Papier existierte und die für das europäische Management angeblich zuständige Briefkastenfirma Inter Capital Finanz AG in der Bahnhofstraße 106 in Zürich 1994 aus dem Handelsregister gestrichen wurde, fanden fleißige Vermittler immer wieder neue Kundschaft. Den Geldfluss organisierte Lins nach seiner Haftentlassung von seiner Penthauswohnung in Binningen – 20 Kilommeter vor den Toren Basels.

Dass die Bochumer Staatsanwaltschaft den betrügerischen Bankgeschäften in Deutschland ein Ende machen konnte, verdankt sie den Ermittlungen der Steuerfahndung gegen einen privaten Vermittler der Inter Capital Bank, bei dem Hinweise auf Lins gefunden wurden. Dank der Mithilfe der Schweizer Justiz stellte sich schnell heraus, dass der ehemalige Häftling immer noch die gleichen Betrugsgeschäfte machte wie vor seiner Verurteilung im Jahre 1990. Betrogene Anleger können nur hoffen, dass sie ihre eingezahlten Einlagen zurückbekommen. „Die Aussichten stehen nicht schlecht“, sagt der Münchner Anlegeranwalt Oliver Busch von der Kanzlei Engelhard, Busch & Partner, der eine Geschädigtengemeinschaft gegründet hat. Allerdings müssten sich die Geschädigten beeilen. „Schadenersatz gibt es nur über eine Zivilklage nach dem Motto „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ sagt Busch.

11,8 Millionen Mark konnte die Staatsanwaltschaft auf zwei Konten in Luxemburg bereits sicher stellen. „Aber da kommt in Sicherheit noch mehr“, sagt Wirtschaftsdetektiv Medard Fuchsgruber aus Ottweiler, der die verschlungenen Pfade der Anlegergelder in ganz Europa recherchiert. Selbst wenn das gefundene Inter-Capital-Bank-Vermögen nicht für alle Geschädigten reichen sollte, gibt es weiter Hoffnung. Nach einem aktuellen Urteil des Bundesgerichtshofes (Az.:III ZR 62/99) haften auch Vermittler, wenn sie sich über die von ihnen verkauften Geldanlagen vorher nicht penibel sachkundig gemacht haben.

Wolfgang Klöters