Banken empfahlen oft riskante Anlagen.Viele Kunden wollen jetzt Geld zurück.

Das Gespräch in der Bank fand Ende 1999 statt. Werner W. (62), Werkzeugmacher, und seine Gattin (60), Hausfrau, wollten 200 000 Mark anlegen, vor allem als Zubrot zur bevorstehenden Rente. Bisher hatten sie stets auf Anlagen wie Festgeld und Bundesschatzbriefe gesetzt.

„Das ist doch alles tota l’langweilig“, sagte der Berater. „Sie können es ja jeden Tag in den, Medien verfolgen, welche Gewinnchancen Aktien bieten.“

Das Ehepaar ließ sich überreden und setzte das ganze Geld auf High-Tech-Aktien, darunter AOL, Cisco, Intel, EM.TV.

Heute ist das Depot noch 35 000 Euro wert. Zwei Drittel des Geldes sind weg. Werner W. und seine Frau gingen zum Münchner Rechtsanwalt Alexander Engelhard, um sich nach ihren Chancen zu erkundigen, von der Bank Schadenersatz zu erhalten.

Engelhard sagt: „Das Depot ist der absolute Irrsinn: keine Risikostreuung, keine Fonds, nur High-Tech-Aktien.“ Dabei hätte dem Berater klar sein müssen, dass das Ehepaar sicherheitsorientiert ist. Der Anwalt sieht gute Chancen für das Paar; dass die Bank für den Verlust haften muss.

Das Ehepaar W. ist ein extremer Fall. In milderer Form aber kommt er‘ häufig vor. Tausende von Münchnern sind im Börsenboom 1999 und 2000 in riskante Aktien oder Aktienfonds eingestiegen und sitzen jetzt nach dem Dauercrash auf hohen ‚Verlusten. „Häufig stand. bei Anlageempfe1i1ungen der Banken das Interesse im Vordergrund, neu aufgelegte Aktienfonds aus dem eigenen Haus zu vertreiben“, sagt Dr. Henning Leitz, Anwalt für Kapitalanlagerecht bei der Münchner Kanzlei Rotter. Eine Frage beschäftigt nun fast alle Kunden: Kann ich meine Bank für das Fiasko zur Verantwortung ziehen?

Anwalt Engelhard spricht von einem‘ „absoluten Massenphänomen“. Kollege Leitz registriert jeden Tag zwei bis drei Anleger, die sich von der Bank falsch beraten fühlen.

Die Banken sehen das Problem nicht so dramatisch. „Sechs Reklamationen hat es in diesem Jahr gegeben“, sagt Joachim. Fröhler, Sprecher der Stadtsparkasse München. Bei keinem habe falsche Beratung nachgewiesen werden können. „Ein relativ geringes Beschwerdeaufkommen“, meldet die Hypo-Vereinsbank. Bei der Raiffeisenbank Nürnberg heißt es: „Wir haben stets nur konservative Aktien empfohlen.“ Klagen gebe es keine. Man könne aber nicht ausschließen, dass mal ein Mitarbeiter bei der Beratung „übers Ziel hinausgeschossen ist“.

Die Aussichten auf Schadenersatz sind vom Einzelfall abhängig. „Es ist kein Spaziergang für die Banken“, sagt Anwalt Engelhard(siehe dazu: „Wann die Bank haftet“). Etwa vier von fünf Anleger schickt er wieder nach Hause, weil sie keine Beweise für falsche Beratung liefern können. 15 bis 20 Prozent der Fälle aber verfolgt er weiter. Er schreibt einen Brief an die Bank mit einer Vergleichsforderung. Stellt die Bank sich dann stur, geht es vor Gericht.