Die Tricks windiger Finanzdienstleister
Außergerichtliche Schiedsverfahren werden von dubiosen Anlagevermittlern oft als ideale Form der Konfliktlösung angepriesen. In Wirklichkeit aber sollen geprellte Investoren auf diese Weise ein zweites Mal über den Tisch gezogen werden.

Die Anrufe kamen immer am Ende eines langen Arbeitstages: „Wollen Sie die Chance, innerhalb kürzester Zeit fünfzig Prozent Rendite mit Gold-Optionen zu erzielen, wirklich ungenutzt verstreichen lassen?“, fragte eine energische Telefonstimme am anderen Ende der Leitung. Frank Staude (Name von der Redaktion geändert) zögerte anfangs, ließ sich aber – zermürbt vom Bürostress – nach dem dritten Telefonat auf ein längeres Gespräch ein.

Um den hartnäckigen Telefonverkäufer abzuwimmeln, akzeptierte der Verwaltungsfachangestellte aus dem Raum Osnabrück schließlich die Übersendung des Verkaufsprospektes. Postwendend fand er eine Hochglanzbroschüre der Firma Comex Finanzmanagement aus Nettetal bei Düsseldorf in seinem Briefkasten. In professioneller Aufmachung wurden dort die Gewinn-Chancen an der Terminbörse geschildert. Die hohen wirtschaftlichen Risiken der Termingeschäfte kehrten die Autoren dagegen weitgehend unter den Teppich. „Mit einem geringen Kapitaleinsatz kann nicht viel schief gehen“, dachte sich der Anleger nach der Lektüre und weiteren Telefonaten. Eigene Erfahrungen mit Spekulationsgeschäf ten hatte er zwar bislang nicht gesammelt. Dennoch fasste Frank Staude Vertrauen und ließ sich zu einem Kapitaleinsatz von 11 875 Mark verleiten

Vorgetäuschte Traum-Renditen
Zunächst schien er mit seiner Einschätzung richtig zu liegen: Weni ge Wochen später meldete sich ein anderer Telefonverkäufer der Firma und beglückwünschte ihn zu seinem Investment. Das versprochene Renditeziel sei bereits erreicht, der Zeitpunkt für weitere Investitionen jetzt günstig. Begründung des eloquenten Verkäufers: Als Experte für Gold Optionen verfüge er über fundierte Kenntnisse und sei sogar in der ntv-Telebörse zu diesem Thema interviewt worden. Der scheinbare Gewinn seines ersten Investments und die angebliche Kompetenz des Finanzdienstleisters nahmen Frank Staude die letzten Zweifel. Er wollte richtig Kasse machen und leistete eine weitere Einzahlung von 100 000 Mark.

Das böse Erwachen kam einige Monate später. Was mit seinem Kapital geschah, weiß Staude bis heute nicht genau. An der Terminbörse investiert wurde es jedenfalls nicht. Trotzdem stellte die Firma Comex hohe Gebühren für fiktive Transaktionen in Rechnung und verlangte eine Beteiligung an den Gewinnen, die de facto nur auf dem Papier entstanden. Trauriges Resultat für den Anleger: Er erlitt einen Verlust von insgesamt 131 395 Mark.

Klar, dass sich der geprellte Investor sein Kapital vor Gericht zurückholen wollte. Er ließ sich vom Münchener Rechtsanwalt Alexander Engelhard beraten, der sich schwerpunktmäßig mit Fällen von Anlagebetrug beschäftigt. Dabei erlebte Staude eine zweite böse Überraschung: Der Jurist mußte ihm eröffnen, dass der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten abgeschnitten ist. Der Grund: Frank Staude hatte neben dem vereinbarten Termin- geschäft einen Schiedsvertrag unterzeichnet, den ihm die Firma Comex bei Geschäftsabschluss vorgelegt hatte. Wesentlicher Inhalt: Bei Streitgkeiten einigen sich die Parteien außergerichtlich. „Diese Klausel ist rechtmäßig“, erläutert Rechtsanwalt Engelhard.

Häufig argumentieren Finanzdienstleister damit, dass staatliche Gerichte überlastet seien und Anleger auf diesem Weg schneller zu ihrem Recht kommen würden. Das allerdings ist ein Trugschluss.

„Nach derzeitiger Praxis sind Schiedsverfahren für Anleger deutscher Vermittlungsunternehmen keine brauchbare Alternative“, weiß Alexander Engelhard. Das sollte auch Frank Stauder in mehrfacher Hinsicht zu spüren bekommen. Schon bei der Ernennung des Schiedsgerichts kam es zu Schwierigkeiten: Zunächst musste der Firma Comex die Schiedsklage mit der Aufforderung übermittelt werden, innerhalb von drei Wochen einen eigenen Schiedsrichter zu benennen. „Die Zusammensetzung des Schiedsgerichts wird maßgeblich von den Parteien bestimmt“, erläutert Rechtsanwalt Engelhard. Deshalb sei eine neutrale und sachkundige Besetzung des Gerichts nicht immer gewährleistet; auch Nichtjuristen können zu Schiedsrichtern benannt werden.

Verzögerungen und hohe Kosten
Das Schreiben kam mit dem Vermerk zurück, die Comex-Geschäftsführerin sei unbekannt verzogen. Nach langen Recherchen konnte ihre neue Adresse ausfindig gemacht werden. Daraufhin wurde sie erneut angeschrieben und die Schiedsklage ein zweites Mal zugestellt.
Wieder reagierte die Finanzdienstleisterin nicht. Nach den Bestimmungen des Schiedsvertrags musste Rechtsanwalt Engelhard nun den Präsidenten des Landgerichts Osnabrück anschreiben und beantragen, dass dieser einen Schiedsrichter benennt. Es kam zu einer weiteren Verzögerung von sechs Monaten: Erst dann ernannten die zwei ausgewählten Schiedsrichter einen Obmann – den Vorsitzenden des Schiedsgerichts – und setzten endlich den Zeitpunkt für die mündliche Verhandlung fest.

Auch zu diesem Termin erschien die Geschäftsführerin der Comex nicht. Nach der Verhandlung fällte das Gericht eine Entscheidung zugunsten des Anlegers. Doch die bisher untätige Comex-Geschäftsfrau wurde daraufhin überraschend aktiv: Sie beantragte nun beim Oberlandesgericht Schleswig-Holstein die Aufhebung des ergangenen Schiedsspruchs. Ihre Begründung: Im Schiedsverfahren seien angeblich Verfahrensfehler gemacht worden. Hierüber ist bis heute nicht entschieden worden. Für Frank Staude geht die Odyssee damit weiter.

„Sollte der Aufhebungsantrag der Gegenseite zurückgewiesen werden, muss der Schiedsspruch dann nochmals in einem gesonderten Verfahren für vollstreckbar erklärt werden“, erläutert Anwalt Engelhard. Erst dann hat der Anleger Chancen, sein Geld wiederzusehen.

Ein weiterer Minuspunkt sind die hohen Kosten des Schiedsverfahrens. Als Schiedskläger musste der geschädigte Anleger einen Kostenvorschuss in Höhe von 8500 Mark für die zwei Schiedsrichter und denn Obmann leisten. „Das Prozesskostenrisiko liegt bei einem Verfahren mit mündlicher Verhandlung und Beweisaufnahme bei 25 500 Mark“, weiß Alexander Engelhard.

Besonders wichtig: Die außergerichtlichen Anwaltskosten sind dabei noch gar nicht berücksichtigt. Bei einem normalen staatlichen Klageverfahx hätten sich die Gerichtskost lediglich auf 4065 Mark belaufen.

Ein weiterer Knackpunkt:
Da Schiedsverfahren auf Schlichtung ausgerichtet sind, enden sie häufig mit Abschluss eines Vergleichs. Gerade in solchen Fällen wirken sich die Unterschiede zum K1ageverfahren noch gravierender aus. Der geschädigte Investor bleibt oft auf der Hälfte der deutlich höheren Kosten sitzen. „Anleger sollten die Vertragsunterlagen daher sorgfältig prüfen und vor allem darauf achten, ob diese eine Schiedsklausel enthalten“, rät Rechtsanwalt Engelhard. Sollte der Finanzdienstleister die Unterzeichnung des Schiedsvertrags zur Bedingung für die Geschäftsbeziehung machen, gäbe es nur eine richtige Reaktion: Die Vertragsunterlagen in den Papierkorb werfen. Diesen Ratschlag hätte auch Frank Staude beherzigen sollen. Stefan Rullkötter