Rechtsanwalt Oliver Busch Kanzlei Engelhard, Busch & Partner: "Finger weg von Privatplatzierungen"

Die Aktieneuphorie in Deutschland ist ungebrochen. Bei Neuemissionen übersteigt die Nachfrage das Angebot meist um ein Vielfaches. Die Hoffnung auf die schnelle Mark machen sich auch unseriöse Anbieter zu Nutze. Wie Anleger mit windigen Beteiligungen an US-amerikanischen Firmen geködert werden.
Der kurze Artikel in der Anlegerzeitschrift „Der Aktionär“ klang viel versprechend. Die Firma Entecs Inc., Entwickler und Vermarkter neuester Umwelttechnologien und umweltbezogener Softwarelösungen, gehe an die US-Technologiebörse Nasdaq, las die 33jährige Industriekauffrau Petra Bauer (Name von der Redaktion geändert) in der Ausgabe Juni 1998. Und das Beste: Schon vor dem Börsengang sollten Anleger die Aktie zeichnen können.

Nach vielen erfolglosen Versuchen bei Emissionen am Neuen Markt endlich zum Zuge kommen – die allein erziehende Mutter sah für sich die Chance gekommen, hohe Zeichnungsgewinne einzustreichen. In dem Bericht wurde die angeblich innovative Entecs-Geschäftsidee in den schönsten Farben ausgemalt: Das Unternehmen verfüge über ein weltweit einzigartiges Verfahren für Wiederverwertung von Reststoffen, die bei der Herstellung von Beton entstehen. Auch der Einsatz computergestützter „Umweltschutz-Informationssysteme“ wachse zukünftig rasant, wovon Entecs profitieren werde.

Als Petra Bauer unter der angegebenen Telefonnummer weitere Informationen über die vorbörsliche Beteiligung anfordern wollte, erlebte sie eine erste Überraschung: Der Mitarbeiter der deutschen Entecs-Tochter verwies sie an das „Washington International Financial Management Institute“. Postwendend übersandte ihr der Finanzdienstleister eine Hochglanz-Broschüre über angebliche Erfolge mit privaten Aktienplatzierungen.

Das genügte, um sie von der Anlage-Idee zu überzeugen. Über die Münchener Vertriebsgesellschaft „zeichnete“ sie 2000 Entees-Papiere zu einem Kurs von 7,50 US-Dollar pro Aktie. Um den Kaufpreis von 26 602,50 Mark zu finanzieren, nahm sie zusätzlich einen Kredit auf. Spätere Kursgewinne würden diese Kosten schließlich mehr als wettmachen. Diese Erwartung bestätigte sich zunächst. In mehreren Schreiben wurde der Anlegerin über die „positive“ Geschäftsentwicklung der Firma informiert. Auch der Börsengang sollte unmittelbar bevorstehen.

Die überraschende Wende kam im Frühsommer 1999: Entecs kündigte der Aktionärin eine Fusion mit der Firma Technical Environment Solutions Inc. (TES) an. Auch die wirtschaftlichen und finanziellen Daten des Unternehmens wurden im Fusionsprospekt plötzlich nicht mehr so positiv dargestellt. Nur wenig später fand die Fusion zwischen Entecs und TES statt – dabei wurden 7 TES-Aktien gegen eine Entecs-Aktie getauscht. Petra Bauer erhielt so ein „Aktienzertifikat“ über 14 000 TES-Aktien. Ein weiterer Haken: Die Aktien des fusionierten Unternehmens wurden am „Over-the-counter-market“ (OTC-Markt) – und nicht an der Nasdaq – gelistet.
„Für den OTC-Markt existiert kein Börsenhandel im herkömmlichen Sinn“, erläutert der Münchener Rechtsanwalt Oliver Busch, der die Interessen der Anlegerin vertritt. Denn OTC-notierte Werte werden nicht durch Börsenmakler vertrieben, die nach dem Auktionssystem versuchen, bestmögliche Preise für die Aktie zu erzielen. „Der Handel findet zwischen den Wertpapierhändlern selbst statt. Dabei legen sie den Preis, zu dem sie die Aktien kaufen oder verkaufen wollen, selbst fest“, sagt Busch, der sich in seiner beruflichen Praxis schwerpunktmäßig mit Anlagebetrugsfällen beschäftigt.

Kein Börsenhandel für „Offshore-Transaktionen“
Die US-Technologiebörse Nasdaq: Die hier gehandelten Aktien sind üblicherweise liquide – im Gegensatz zu „Over-the-Counter“ gehandelten Papieren Kein Börsenhandel für „Offshore-Transaktionen“

Für die Aktien der Frima TES werden zurzeit Kurse von 5/16 US-Dollar genannt. Ob ein Verkauf zu diesem Preis möglich ist, bleibt unklar. Nach einer Kursabfrage fand der letzte Handel am 28. März 2000 zu einem Kurs von 3/8 US-Dollar statt. Selbst wenn die Papiere zu diesem Kurs am OTC-Markt abgestoßen werden könnten, säße die Anlegerin auf Verlusten von rund 15 000 Mark. Damit wollte sich Petra Bauer nicht zufrieden geben – doch außergerichtliche Verhandlungen mit der Vertriebsgesellschaft scheiterten. Ihre Ansprüche will sie jetzt mit einer Schadenersatzklage durchsetzen.

Denn die Anlegerin ist offensichtlich das Opfer einer so genannten Offshore-Transaktion geworden. Bei Offshore-Transaktionen handelt es sich entweder um Aktienemissionen von jungen Unternehmen, deren Aktien noch nicht in den USA gehandelt werden, oder um Privatplatzierungen von Emittenten, die in einer anderen Aktienkategorie bereits parallel am OTC-Markt oder an der Nasdaq notiert werden. Da die Neuemission oder Privatplatzierung zunächst nicht der Registrierungspflicht bei der Börsenaufsichtsbehörde SEC unterliegt, erhöht sich die Missbrauchsgefahr.

Wie viele deutsche Anleger hatte Petra Bauer keine Kenntnisse über die Risiken und Hintergründe, die mit einer derartigen Anlageform verbunden sind. So wird den Anlegern beispielsweise vorgespiegelt, dass die Aktien tatsächlich am OTCMarkt in den USA gehandelt werden. Dass ein Handel am OlG-Markt noch gar nicht stattfinden kann oder wegen Wiederverkaufsbeschränkungen erst nach Ablauf von Sperrfristen möglich ist, wird dem Investor aber – auf Grund seines regelmäßig bestehenden Informationsdefizits – nicht bewusst.

„Anleger müssen auch wissen, dass bei Privatplatzierungen eine noch größere Marktenge besteht als bei Papieren, die am OTCMarkt gehandelt werden“, weiß Rechtsanwalt Busch. Da derartige Aktien in den meisten Fällen nur von einem einzigen Brokerhaus oder Finanz-vermittler vertrieben werden, besteht für den Kunden im Endeffekt lediglich theoretisch die Möglichkeit, die von ihm erworbenen Papiere auf diesem Weg wieder zu veräußern.

Kursmanipulationen sind nicht ausgeschlossen

So werden Aktienkurse der Firma TES am so genannten OTC-Bulletin-Board notiert. „Die dort gelisteten Unternehmen haben in der Öffentlichkeit nahezu keinen Bekanntheitsgrad“, weiß Jurist Busch. Deshalb schenke auch die einschlägige Börsenpresse solchen Werten keine Beachtung. „Für den Privatanleger ist es sehr schwer, den Kursverlauf seiner Aktien nachzuvollziehen, da entsprechende Informationen nur über den Wertpapierhändler selbst zu beziehen sind“, ergänzt Busch.

Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass der Anleger durch Kursmanipulationen geschädigt wird. Das Risiko ist schon bei der Festsetzung des Verkaufspreises vorhanden: Die Erstkäufer derartiger Aktien erhalten üblicherweise einen Abschlag. Dieser Rabatt wird bei noch nicht gehandelten Aktien auf den Wert gewährt, der sich aus einer Aktienanalyse oder Unternehmensstudie ergibt. Wird eine Aktienkategorie des Emittenten bereits am OTC-Markt gehandelt, wird ein Abschlag zum aktuellen Börsenkurs gewährt, der bis zu 40 Prozent betragen kann. Da dem Anleger in der Regel die Aktienkaufverträge zwischen Vermittler und Emittent nicht vorgelegt werden, erfährt er aber zu keiner Zeit, zu welchem Kurs oder mit welchem Abschlag der Vermittler die Aktien eingekauft hat. „Um jedoch auch dem Anleger eine Investition in eine Privatplatzierung schmackhaft zu machen, muss der Abschlag, den der Vermittler vom Emittenten erhält, an den Anleger weitergegeben werden“, erklärt Busch.

Andernfalls sei der Anleger unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass die Aktie mit einem abweichenden Aufschlag an ihn verkauft wurde. Unterbleibt der Hinweis, macht sich der Finanzdienstleister regelmäßig wegen Betrugs strafbar. „Privatplatzierungen im Rahmen von Offshore-Transaktionen sind von Anlegern mit hoher Vorsicht zu genießen“, rät deshalb Börsenrechtsexperte Busch.

Entschließen sich Investoren denoch zu einem derartigen Investment, das durchaus mit einem Spiel oder einer Wette vergleichbar ist, sollten sie sich vor ihrer Anlageentscheidung den Aktienhändler oder Vermittler genau ansehen. „Gerade Privatplatzierungen sollten – wenn überhaupt – ausschließlich über namentlich bekannte Investmentbanken getätigt werden“, rät Busch. Das über die Ausgabe von Aktien durch die Anleger investierte Kapital wandere sonst in die Taschen unseriöser Initiatoren. Alternativ werden mit den Anlegergeldern Gesellschaften gegründet, deren einziges Geschäftsziel darin besteht, durch die Ausgabe von Aktien das Kapital für den Erwerb anderer Firmen oder – wie der Fall Entecs zeigt – eine für Investoren nachteilige Fusion mit ihnen zu erreichen.

Nach der Rechtsprechung deutscher Gerichte müssen Investoren jedoch detailliert und schriftlich über die Risiken derartiger Privatplatzierungen informiert werden, wenn der Vertrieb über einen deutschen Finanzdienstleister erfolgt. Unterbleibt eine derartige Aufklärung oder ist sie ungenügend, machen sich das Vermittlungsunternehmen und seine verantwortlichen Mitarbeiter schadenersatzpflichtig – der einzige Strohhalm, an den sich die geschädigte Anlegerin Petra Bauer noch klammern kann. ruII