In Amerika hat das FBI erhebliche Vermögenswerte der Anlagefirma Wellshire vorläufig B E S C H L A G N A H M T. In Deutschland läuft der dubiose Geschäftsbetrieb ungestört weiter.

Mit Uberschriften wie „Mit Weilshire in den Ruin“ und „Weilshire – viele werden geprellt!“ berichtete BÖRSE ONLINE (u. a. Heft 13 und 2 1/1994) bereits mehrfach über das dubiose Geschäftsgebaren dieser Anlagefirma. Heftig waren die Reaktionen unserer Leser. Viele teilten uns ihre durchweg schlechten Erfahrungen mit. Kein einziger Leser hat von einem Gewinn berichtet.

Das Düsseldorfer Landgericht wirft in einer Urteilsbegründung zu einem zivilrechtlichen Verfahren (AZ 14 0 427/94 vom 17. Oktober 1994) Wellshire vor, „systematisch in betrügerischer Weise zum Zweck der Schädigung der Anleger“ zu arbeiten. Zwar hat die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft strafrechtliche Schritte gegen Wellshire eingeleitet. Doch zu einer Anklage kam es bisher nicht. Bereits mehr als 100 Millionen Mark soll die Truppe nach Aussagen eines ehemaligen Mitarbeiters eingesammelt haben.

Auch Robert Peters (Name von der Redaktion geändert) ist auf die zweifelhafte Angebote der Wellshire-Strategen reingefallen. Im Frühjahr 1994 hat Peters sein gesamtes Vermögen verloren. Die Telefonverkäufer drängten ihn sogar, Geschäfte auf Kredit zu tätigen. Bald stellte sich heraus, daß die ihm verkauften Aktien wertlos waren. Peters‘ gutgeführte Firma mußte Konkurs anmelden, drei Angestellte wurden entlassen. Sein Sohn hat das Maschinenbau-Studium abbrechen müssen und hilft jetzt mit, „Schulden abzuarbeiten“. Peters hat inzwischen den Glauben an den Rechtsstaat verloren. „Unverständlich, warum Wellshire weiter Geschäfte machen kann. Ich möchte wissen, wer in Deutschland alles durch Wellshire-Gelder reich geworden ist.“

Unterstützung für geschädigte Anleger könnte aus Amerika kommen. Zunächst hatte die US-Börsenaufsichtsbehörde SEC ermittelt. Jetzt schlug das FRl zu. Erhebliche Sachwerte, die Wellshire zugerechnet werden, wurden in einem Arrestverfahren beschlagnahmt. Dabei handelt es sich um Wertpapiere, aber auch um Immobilien, deren Wert auf zehn bis 20 Milliönen Dollar geschätzt wird.

Der Hauptvorwutf gegen die WellshireGründer Dougias E. Brown und Hans H. Kuhlen lautet auf internationalen Wertpapierbetrug. FRl Special Agent Stephen Colling, der im Arrestgesuch zitiert wird, behauptet, Wellshire habe deutsche Anleger bewußt fehlinformiert. Zum einen hätten sich die Angaben über die Unternehmen, deren Aktien Wellshire vertrieb, als unwahr erwiesen. Zum anderen würden entgegen den Firmeninformationen die von Weilshire vertriebenen Aktien an keiner Börse notiert. Viele Anleger erfuhren jedoch erst, als sie ihre „Wertpapiere“ wieder verkaufen woilten, daß die Pennystocks unverkäuflich sind.

Schrittweise haben Kunden und Brown die Wellshire-Gruppe aufgebaut, bis ein unübersichtliches Firmengeflecht entstanden war. Auf diese Weise versuchen sie offenbar, den Strafverfolgungsbehörden die Arbeit zu erschweren. So war bis Ende 1991 ausschließlich die Wellshire Deutschland GmbH Vertragspartner der Anleger. Ab 1992 lauteten alle Verträge auf Wellshire Bahamas. Auch die in Deutschland angestellten Telefonverkäufer waren offiziell als selbständige Unternehmer für Wellshire Bahamas tätig.

Der neueste Schachzug, die juristische Verfolgung zu erschweren, ist jedoch vorerst mißlungen. Die Wellshire-Drahtzieher wollten den Firmensitz der Deutschland GmbH nach Breitungen in Thüringen verlegen. Der zuständige Amtsrichter hat jedoch im August 1995 die Eintragung ins Handelsregister untersagt. „Eine Eintragung kann nicht erfolgen, da lediglich ein Briefkasten und ein Firmenschild vorhanden sind. Ein tatsächlicher Geschäftsbetrieb findet nicht statt“, heißt es in einem Schreiben des zuständigen Amtsgerichts Meiningen.

Das FBI begründet das Arrestgesuch damit, daß es notwendig sei, die Wellshire-Gelder zu beschlagnahmen. Andernfalls stehe zu befürchten, daß weiteres Vermögen ins Ausland verschoben wird. Noch zwei Wochen vor der Beschlagnahme soll Douglas E. Brown nach Angaben des FBI „erhebliche Aktien-Pakete“ von einer Wellshire-Firma auf ein kanadisches Brokerkonto, das auf seinen Namen lautet, transferiert haben.

Die eingefrorenen Sachwerte können laut Arrestgesuch für eine „spätere Wiedergutmachung von Vermögensschäden außerhalb dieses Landes“ dienen. Diese Möglichkeit möchten die auf Kapitalanlagefragen spezialisierten Münchner Anwälte Alexander Engelhard und Oliver Busch für ihre Mandanten nutzen. In Zusammenarbeit mit US-Anwälten rechnen sich die Juristen gute Chancen aus, einen Teil der eingefrorenen Gelder zur Entschädigung geprellter Kunden zurückzuholen (siehe Interview >> ).

Bis zum 19. Dezember muß das FBI seine Anklage gegen Wellshire formuliert haben. In einer Gerichtsverhandlung wird dann entschieden, ob die Beweise für eine Anklage ausreichen und die Beschlagnahme aufrechterhalten wird. Fast schon erwarten konnte man, daß die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft nichts mit dem erfolgreichen Schlag gegen Wellshire zu tun hat. Der verantwortliche Oberstaatsanwalt Kurt Flücht betont: „Die Beschlagnahme ist eine ureigene Geschichte der Amerikaner, sozusagen nicht unser Bier.“ Auch sonst weiß er keine Neuigkeiten, zu diesem Fall zu berichten. In Deutschland ruht offensichtlich die Akte Wellshire. WERNER SCHMITT

FBI BESCHLAGNAMT WELLSHIRE-GELDER

Chancen für geprellte deutsche Anleger

Rechtsanwalt Oliver Busch

Rechtsanwalt Oliver Busch

BÖRSE ONLINE: Welche Möglichkeiten sehen Sie, daß deutsche Aneger aus dem in Amerika beschlagnahmten Wellshire-Vermögen entschädigt werden?

OLIVER BUSCH: Obwohl Anleger in Deutschland erfolgreiche Geichtsverfahren gegen einzelne Wellshire-Firmen und deren Verantvortliche führen konnten, besteht derzeit keine Möglichkeit, die Urteile zu vollstrecken. Das gesamte Wellshire-Vermögen befindet sich im Ausland. Jetzt bietet sich die Chance, durch rechtliehe Schtitte in den USA erlittene Schäden ersetzt zu bekommen.

Geht das Strafverfahren positiv aus, dann bestehen gute Chancen, daß deutsche Anleger ihre Ansprüche in den USA auch realisieren können.

BÖRSE ONLINE: Sind Verjährunsfristen zu beachten?

BUSCH: Für Betrugstatbestände im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Wertpapieren gilt in den USA eine Verjährungsfrist von vier Jahren. Die Frist beginnt mit dem Kauf der Wertpapiere zu laufen.

BÖRSE ONLINE: Gehen Anleger, die von mehr als vier Jahren mit Wellshire Geschäfte machten, leer aus?

BUSCH: Auch Anleger, die bereits1991 oder davor investiert haben, sind nicht chancenlos. Eine Durchsetzung von Ansprüchen in den USA ist erschwert, jedoch nicht ausgeschlossen, je nach Einzellfall auch andere Betrugstatbestände in Betracht kommen können, für die längere Verjährungsfristen gelten.

BÖRSE ONLINE: Auf welche Weise wollen Sie vorgehen?

BUSCH: In Zusammenarbeit mit amerikanischen Kollegen erheben wir in den USA – unabhängig vonbereits anhängigen Verfahren – eine Zivilklage gegen Firmen und Personen der Wellshire Gruppe. Auf diese Weise versuchen wir, in den USA Schadensersatzansprüche geschädigter Anleger durchzusetzen.