Seitdem seit einiger Zeit regelmäßig in den Medien berichtet wird, dass Garantiezinsen bei Lebens- und Rentenversicherungen immer mehr sinken und sich Lebensversicherungen nicht mehr lohnen würden, fragen sich immer mehr Versicherungsnehmer, ob sie Lebens- oder Rentenversicherungen nicht beenden können.

Inwieweit dies auch wirtschaftlich sinnvoll ist, muss jeder Versicherungsnehmer für sich beantworten.

Aus rechtlicher Sicht kann ein Versicherungsnehmer, insbesondere eine Lebensversicherung, die in den Jahren 1994 bis Ende 2007 nach dem sog. Policenmodell abgeschlossen worden ist, über einen Widerruf widerrufen.

Alternativ kommt ein Rücktrittsrecht in Betracht, wenn der Vertrag nach dem sog. Antragsmodell zustande gekommen ist.

Widerruf bei Policenmodell

Einem Versicherungsnehmer steht ein Widerrufsrecht nach § 5a VVG a. F. zu, wenn der Vertragsschluss nach dem Policenmodell erfolgt ist.

Dabei stellt der Antrag des Versicherungsnehmers das Angebot zum Abschluss des Vertrages dar.

Dieses nahm die Versicherungsgesellschaft dadurch an, dass sie den Versicherungsnehmer erst mit der Versicherungspolice die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die für den Vertragsschluss maßgeblichen Verbraucherinformationen übersandte.

Der Bundesgerichtshof hat bereits im Mai 2014 zu einem Vertrag, der im Rahmen eines Policenmodells abgeschlossen worden war, entschieden, dass für einen Versicherungsnehmer ein unbefristetes Widerrufsrecht gegeben ist, wenn er nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist.

Nach § 5a VVG a. F. besteht an sich zwar nur ein Widerrufsrecht innerhalb einer Frist von 14 Tagen. Aber diese Frist beginnt nicht zu laufen, wenn der Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß und in drucktechnisch deutlicher Form über sein Widerspruchsrecht belehrt worden ist.

Im Fall einer mangelhaften Belehrung sah § 5a Abs. 2 S. 4 VVG a. F. zwar vor, dass das Widerrufsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt.

Der Bundesgerichtshof hat aber entschieden, dass § 5a Abs. 2 S. 4 VVG a. F. eine planwidrige Regelungslücke enthält, die richtlinienkonform insoweit auszulegen ist, dass die Vorschrift im Bereich der Lebens- und Rentenversicherung nicht anwendbar ist.

Somit besteht für einen Versicherungsnehmer grundsätzlich ein „ewiges“ Widerrufsrecht.

Rücktrittsrecht bei Antragsmodell

Alternativ dazu werden einem Versicherungsnehmer bei dem sog. Antragsmodell die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformationen bereits bei Antragstellung übergeben.

In einem derartigen Fall steht einem Versicherungsnehmer nach  § 8 Abs. 5 VVG a. F. ein Rücktrittsrecht von 14 Tagen seit  Abschluss der Versicherung zu.

Diese Frist beginnt nach § 8 Abs. 5 S. 2 VVG a. F. aber erst dann zu laufen, wenn der Versicherte den Versicherungsnehmer über sein Rücktrittsrecht belehrt oder der Versicherungsnehmer die Belehrung durch Unterschrift bestätigt hat.

Mit Urteil Ende 2014 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass auch bei Verträgen, die nach dem Antragsmodell abgeschlossen worden sind, ein Rücktrittsrecht bis heute bestehen kann.

Bei Lebensversicherungen, die nach dem 29.07.1994 abgeschlossen worden sind, konnte der Vertrag binnen 14 Tage nach Vertragsschluss ein Rücktritt erklärt werden.

Für Verträge ab dem 08.12.2014 ist ein 30-tägiges Rücktrittsrecht vorgesehen. Bei einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung erlosch das Rücktrittsrecht zwar an sich nach Zahlung der ersten Prämie. Aber auch hierzu hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Bestimmung in § 8 Abs. 4 S. 4 und in Abs. 5 S. 4 VVG a. F. dahingehend richtlinienkonform auszulegen ist, dass im Bereich von Lebens- und Rentenversicherungen nicht gilt, so dass Verträge auch heute noch gekündigt werden können, wenn die Belehrung über das Rücktrittsrecht nicht ordnungsgemäß war.

Ob ein Versicherungsnehmer über sein Widerrufs- oder Rücktrittsrecht ordnungsgemäß belehrt worden ist, muss in jedem Fall gründlich geprüft werden.

Die Widerrufsbelehrung kann zum Einen inhaltliche Mängel aufweisen.

Zum Anderen kann sie auch gegen das Deutlichkeitsgebot verstoßen.

In dem Urteil von Mai 2014 hat der BGH auch entschieden, dass eine vorherige Kündigung der Versicherung dem Widerrufsrecht nicht entgegensteht, wenn der Versicherungsnehmer über sein Widerrufsrecht nicht ausreichend belehrt worden ist.

In Ausnahmefällen kommt eine Verwirkung in Betracht.

Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätende Geltendmachung als Verstoß gegen Treu- und Glauben erscheinen lassen.

Allerdings hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil von Mai 2014 entschieden, dass eine Verwirkung dann jedenfalls nicht gegeben ist, wenn die Versicherung die Situation selbst herbeigeführt hat, indem sie den Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt hat.

Folgen eines Widerrufs oder Rücktritts

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof kann ein Versicherungsnehmer bei einem Widerspruch oder Rücktritt die Rückzahlung der von ihm gezahlten Prämien beanspruchen.

Nach der Rechtsprechung sind davon aber die Kosten des Versicherungsschutzes während der Vertragsdauer sowie die Kapitalertragssteuer nebst Solidaritätszuschlag, die der Versicherer im Falle einer vorzeitigen Kündigung nach einer vorherigen Auszahlung des Rückkaufswertes für ihren Versicherungsnehmer an das Finanzamt abgeführt hat sowie bei einer vorherigen Kündigung der bereits darauf ausbezahlte Rückkaufswert und bei fondsgebundenen Lebensversicherungen die Verluste der Fonds, in denen die Sparanteile der Verträge angelegt worden sind, abzuziehen.

Im Übrigen hat die Versicherungsgesellschaft auch die tatsächlichen, aus den Prämien gezogenen Nutzungen zu erstatten.

Die Abschluss- und Verwaltungskosten sowie Ratenzahlungszuschläge sind von der Versicherungsgesellschaft dem Kunden bei einem Widerruf zurück zu gewähren.

Nachdem die Versicherungsgesellschaften gegen die Entscheidung des Bundesgerichtshof im Mai 2014 und im Juli 2015 Verfassungsbeschwerden eingelegt hatten, haben einige Versicherungsgesellschaften die Ansprüche aus die von Versicherungsnehmern erklärten Widerrufen erst einmal bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zurückgestellt.

Im Mai 2016 hat das Bundesverfassungsgericht allerdings entschieden, zwei dieser Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung anzunehmen. Damit kann auch eine Entscheidung über einen Widerspruch seitens der Versicherungsgesellschaften nicht mehr zurückgestellt werden.

Die Kanzlei Engelhard, Busch & Partner berät betroffene Versicherungsnehmer über die Möglichkeit eines Widerrufs oder Rücktritts von Lebens- oder Rentenversicherungsverträgen bzw. unterstützt sie bei deren Durchsetzung.

Stand: 15.11.2016